Mit der Ausgangsbeschränkung kam die Idee: Gedichte zur Verarbeitung der Coronakrise. Die Welt, wie sie war, bröselt dahin. Der globale Soft Reset bringt so unfassbar viel Neues. Schlimmes, Tragisches, Bizarres, Lustiges. Jeder Rausch an Input braucht einen Output. Einen Kanal, am liebsten einen künstlerischen. Ein Tagebuch in Versen? Poesie für den Seelenfrieden? Aufschreiben, was einen auffrisst? Quarantänenquatsch? Vielleicht von allem ein bisschen. Vor allem aber sind „Verse versus Virus“ ein Experiment. Eine Morgenroutine für den Schreibflow. Meine Annäherung an die Lyrik zur Stärkung meiner Prosa. Im Rhythmus der Verschmitztheit. Voilà, Woche zehn.
Rendez-vous statt Rezession
(250520) Endlich wieder mal was wagen,
mutig ohne Unbehagen.
Viel verlangt in diesen Tagen?
Prognosen streichen, die stets vagen.
Und bevor er platzt, der Kragen,
Weichen stellen statt nur klagen
und mal wieder lautstark sagen:
Liebe geht wohl durch den Magen.
Gespiegelte Angst
(260520) Und zur Wärme,
gefühlt geborgen,
sicheres Wähnen
Melodie des Sommers.
Freudestrahlen,
Schulterschluss,
im Fluss des Übermuts
gespiegelte Angst.
Plätschert sanft,
noch ist nicht,
zweite Welle
sammelt Kraft.
Treueschwur des Optimisten
(270520) Als wären wir neu
in diesem Leben,
nichts ist,
wie es früher war.
Sind doch treue Seelen,
eben,
morgen wird
ganz wunderbar.
Impfgegner
(280520) Kann mal jemand
diesem Virus
einimpfen,
dass es hier
noch nie
willkommen war?
Nein,
sagen die Impfgegner,
und lassen das Virus
Virus sein.
Wissen, wie du sie vergisst
(290520) Aus den Träumen kriecht die Angst,
zurück in dunkle Ecken,
um zu lauern, bottes Kauern,
ihr Verlangen ungebremst.
Sie kennt den Weg in deine Seele,
dockt an Krater an, die rauen,
um zu bohren, auserkoren,
ihre Kraft gar unmenschlich.
Nur eines hasst sie wie das Glück:
dein Wissen, wie du sie vergisst.
Die Kippen des dir Unbekannten
(300520) Du kannst dich gar nicht
mehr erinnern
an das Leben in der Masse,
an das Beben in dem Club,
an das Streben nach
Gemeinschaftsglück.
Du weißt dich gar nicht
mehr zu nähern
an die Lippen, frei und fremd,
an die hippen neuen Seelen,
an die Kippen des
dir Unbekannten.
Du magst doch gar nicht
mehr viel denken
an die Tage voller Turbo
an die Plage des Nochmehr
an die Klage über
viel des Guten.
Du willst und musst
und wirst dein Leben
neu nun definieren.
Wer küsst eigentlich die Musen
(310520) Wer küsst eigentlich die Musen,
die sonst mit den Künstlern schmusen?
Künstler brauchen mehr denn je
so manche zündende Idee.
Mag sein, dass Musen ohne Lust
in Quarantäne schieben Musenfrust.
Drum fördert neben Künstlern auch
Musen für den Schöpfungshauch!
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