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Verse versus Virus (Woche drei)

12. April 2020

Bernhard Blöchl

Mit der Ausgangsbeschränkung kam die Idee: Gedichte zur Verarbeitung der Coronakrise. Die Welt, wie sie war, bröselt dahin. Der globale Soft Reset bringt so unfassbar viel Neues. Schlimmes, Tragisches, Bizarres, Lustiges. Jeder Rausch an Input braucht einen Output. Einen Kanal, am liebsten einen künstlerischen. Ein Tagebuch in Versen? Poesie für den Seelenfrieden? Aufschreiben, was einen auffrisst? Quarantänenquatsch? Vielleicht von allem ein bisschen. Vor allem aber sind „Verse versus Virus“ ein Experiment. Eine Morgenroutine für den Schreibflow. Meine Annäherung an die Lyrik zur Stärkung meiner Prosa. Im Rhythmus der Verschmitztheit. Voilà, Woche drei.

Abstand aus Anstand

(060420) Mit Abstand
betrachtet
liegt das Abstand
nehmen
mit Abstand
ganz weit vorn.
Aus Anstand.

Der Weltenbummler

(070420) Er reiste um die halbe Welt,
von Duisburg bis zum Beringmeer,
verprasste dort sein gutes Geld,
wie Gott in Frankreich lebte er.

Beschränkt sich nun aufs schnelle Ziel,
von Flur bis Arbeitszimmer,
spart vieles von dem großen Deal,
bleibt so ja nicht für immer.

Und wenn er dann in einem Traum
im Anzug fährt bis hoch nach List,
wacht auf er trist, man glaubt es kaum,
da jetzt noch Quarantäne ist.

Auch die wird enden irgendwann,
Beschränkungen sind dann vorbei,
er jubelt, wenn er wieder kann,
auf Reisen fühlen: frei frei frei!

Kurvendiskussion

(080420) Er sagt,
die Kurven flachen ab.
Das sei
ein gutes Zeichen.
Sie sagt,
wieso,
ich seh doch aus wie immer.

Ruhestörung für zwei

(090420) Sie sagt, du redest laut
im Zimmer nebenan.
Dass sie sich so was traut,
Orkan heißt ihr Organ.

Popstar macht Pause

(100420) Sie träumt von der Karriere
als Popstar namens Glow,
will glänzen, dancen, Schicht um Schicht,
Likes und Fame und Ruhm.
Corona setzt Barriere,
gebremst ist sie im Flow,
kann singen nicht im Rampenlicht,
gibt Unterricht auf Zoom.

Der ruhigste Frühling an der Isar

(110420) Wo sonst Nockherberger
taumelnd
durch die Kotzschneise
namens Au
den Weg zur nächsten Tram
verfehlen.
Quälend langsam
im Kanon grölend,
torkelnde Pracht
in falscher Tracht.
Des Lebens Stammwürze
ist gehopfte Hoffnung.

Wo sonst Flussgriller
saufend
im Pulk sich versammeln,
um Ghettoträume in der Au
gut sichtbar
aufzublasen.
Dröhnend laut
die Stadt beschallend,
leerer Beat
im falschen Lied.
Des Lebens Rhythmus
ist programmierter Takt.

Wo sonst Allesundjeder
permanent
im Wohlstandsrausch
pulsiert,
irritiert die Idylle,
stumme Pause im Jetzt.
Es zwitschert
die Amsel
und wundert sich, yeah,
ist alles anders und zwar sehr.
Des Lebens Update
ist gehustetes Reset.

Lümmeljogger sind kein Spaß

(120420) Für das Kleid mit den Punkten
hat sie lange gespart.
Jeder Punkt ein Blick,
so kühn war der Plan.
Der Abschluss verschoben
und mit ihm der Ball.
Die Figur zu halten,
ach, wer kann,
Quarantänenfraß
sprengt jede Naht.

Nach den Schuhen mit den Riemchen
hat sie lange gesucht.
Die Heels eine Bühne,
so verwegen der Gang.
Allein zuhause
nur der Typ gegenüber.
Sich aufzubrezeln
ach, why not?,
Lümmeljogger
sind kein Spaß.

In den Strümpfen aus Nylon
sieht sie aus wie ein Star.
ein Hauch nur, ein Schimmer,
so zart ist der Glanz.
Das Bein ein Blickfang,
nebst Kleid und den Schuhen.
So lernt sie fürs Abi,
ach, lass stecken,
Einserschüler
werden Augen machen.

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