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Verse versus Virus (Woche zwei)

5. April 2020

Bernhard Blöchl

Mit der Ausgangsbeschränkung kam die Idee: Gedichte zur Verarbeitung der Coronakrise. Die Welt, wie sie war, bröselt dahin. Der globale Soft Reset bringt so unfassbar viel Neues. Schlimmes, Tragisches, Bizarres, Lustiges. Jeder Rausch an Input braucht einen Output. Einen Kanal, am liebsten einen künstlerischen. Ein Tagebuch in Versen? Poesie für den Seelenfrieden? Aufschreiben, was einen auffrisst? Quarantänenquatsch? Vielleicht von allem ein bisschen. Vor allem aber sind „Verse versus Virus“ ein Experiment. Eine Morgenroutine für den Schreibflow. Meine Annäherung an die Lyrik zur Stärkung meiner Prosa. Im Rhythmus der Verschmitztheit. Voilà, Woche zwei.

Quarantäne, Baby!

(300320) Katzen sind die Sommersprossen
im Gesicht von Mutter Natur,
die Plot-Twists der Schöpfungsgeschichte,
Viagra fürs Herz.

Du pflegst sie gut,
gibst ihnen Revier.
Du schmust, du spielst, du fütterst, du sorgst,
lässt sie das überfüllte Tierheim vergessen. 

Aber eines vergisst du:
Du hältst sie in Quarantäne.
Quarantäne, Baby,
auch wenn du’s nicht glaubst.

Der Virus der Tierliebe
macht dich taub für den Gedanken,
dass du Gutes tust,
doch Freiheit raubst.

Nun bist du selbst isoliert auf Zeit,
schaust mit Penny aus dem Fenster.
Schöner Mist, denkst du laut.
Mr Hobbs gurrt wie eine Taube. 

Aussitzen hilft

(310320) Jogger sind
das Sinnbild der Krise:
Sie wollen
dem Virus davonlaufen.
Ist es noch Sport,
oder ist es schon Angst?
Aussitzen hilft.

Der Duft vorbeiwehender Frauen

(010420) Er roch so gern
den Duft
vorbeiwehender Frauen.

War süchtig
nach der Wolke
der Unerreichbaren.

Distanz ist nun
die neue Nähe.
Abstand halten schmeckt ihm nicht.

Er bricht
die Regel,
um den Hauch zu spüren.

Doch statt Chanel
liegt in der Luft
nur Angst und zu viel Seife.

Mundtot

(020420) Masken stoppen
nicht nur
Tröpfchen,
sie schlucken
träge Vorurteile.
Zum Schutz
der anderen,
nicht aus Angst
macht sich
der Träger
mundtot.

Mädchen in Chucks

(030420) Das Mädchen in Chucks
tanzt ungehemmt
im Beat, den keiner hört.
Sie hebt die Arme,
verdreht die Füße,
als könnte keiner sehen.
Im unsichtbaren Club
ist sie der Star,
ihr Lächeln ist der Main-Act.
Mit geschlossenen Augen
und verrutschtem
Make-up,
mit Kopfhörern
und Kopfkino
die nächste Tram erwartend.
Tänzelnd trotzt sie
der neuen Stille,
zurück in die Einsamkeit.

Viele Male erste Male

(040420) Wenn dir dein Lieblingsmensch
die Haare
schneidet,
mit jedem Schnitt
die Hemmungen
fallen.

Wenn deine Mutter
Facetime
entdeckt,
die Straßen
der Stadt
sich zeigen lässt.

Wenn der Spaziergang
zum Höhepunkt
sich jazzt,
im Slalom du
die Menschen
umkurvst.

Wenn deine Firma
nach Kurzarbeit
giert,
den Betriebsrat dadurch
zu Mehrarbeit
zwingt.

Wenn das geschieht,
was niemals
gedacht,
dann ist Corona,
du sagst es,
viele Male erste Male.

Fürn Po

(050420) Verdammt bist du zur Heimarbeit,
dein Glück lag im Büro,
statt Flirt gibt’s nun den Partnerstreit
ums Klopapier fürn Po.

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