Der Kulturteil der München- und Bayern-SZ ist renoviert worden. Mehr Service, mehr Magazin, mehr Mehr. Eine Kolumne gibt es auch, und ich bin einer der Autoren. Unter dem – nun ja – Schlagwort „Vorschlag-Hammer“ schreiben SZ-Journalisten auf, welche Kulturveranstaltungen sie empfehlen (und vor welchen sie warnen). Hier mein 15. Teil vom 15.9.2014:
VORSCHLAG-HAMMER
Zu den Stars und zurück
Neulich erfuhr ich, wie es in der Hölle ist: „Wie in einer Welt ohne Rauschgift“, sagte die Dame. Ihre Worte irritierten mich, aber sie war überzeugend und eindringlich, wie alle überzeugend und eindringlich waren in diesem bizarren Schauspiel. Sie war einer dieser Hollywood-Stars, die Pillen schlucken, saufen und sich verlustieren, wenn sie nicht gerade in der Therapiesitzung ihr Mutterproblem zerreden, über ihre „crackabhängigen Assistenten“ schimpfen oder um ihre Traumrolle in einem Kunstfilm kämpfen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Dame war nur ausgedacht, ihre Sätze standen im Drehbuch, das David Cronenberg unter anderen mit der bestechenden Julianne Moore verfilmt hat. Maps To The Stars heißt seine Hollywood-Satire, die seit kurzem im Kino läuft und auf verstörende Weise faszinierend ist. Wer nur ein paar Filme des 71-jährigen Kanadiers kennt, der ahnt, dass es auch in seinem jüngsten Psychodrama um die Abgründe hinter den Fassaden geht. Um die Schattenkraft der Glamourwelt.
Nun ist München nicht Hollywood, vom FC Bayern einmal abgesehen, wobei der Vergleich ein bisschen hinkt, weil die Säbener Straße nicht als Sunset Boulevard durchgeht. Jedenfalls haben die Schauspieler, die sich hier ins Rampenlicht schieben, mit Cronenbergs Horrorkabinett nicht viel gemein. Florian David Fitz zum Beispiel versorgt Journalisten im Hotel erst einmal persönlich mit Kaffee und Wasser – dem sympathischen Beau nimmt man eh alles ab, auch wenn er in seinem gerade angelaufenen Kinofilm Lügen – und andere Wahrheiten flunkert, was das Zeug hält.
Oder Thomas Schmauser, den viele aus den Kammerspielen kennen (Uraufführung von Elfriede Jelineks Das schweigende Mädchen am 27.9.), mehr wohl noch aus dem Fernsehen („Frankenkrimi“): Der Schauspieler und Regisseur mit den großen runden Augen erzählt ehrlich und voller Lebensfreude über seine Projekte – von Dekadenz und Abgründen keine Spur.
Wie klein die Münchner Promiwelt ist, wurde mir deutlich, als beim Gespräch mit Schmauser im Café Jasmin der Kabarettist Stephan Zinner ebenfalls ein Interview gab. Als hätten wir uns abgesprochen. Surreal, fast wie bei den Geistererscheinungen im Cronenberg-Film, wurde es, als wir entdeckten, dass vom gegenüberliegenden Haus ein Mann aus dem Fenster die Szenerie filmte, also das Interview von Zinner am Tisch im Freien und jenes von uns hinter der Glasscheibe im Café. Die Phantasie ging mit uns durch, als wir uns ausmalten, was das wohl für ein Arthouse-Thriller werden würde, wenn wir nun wiederum den Hobby-Filmer beim Filmen filmten.
Ebenfalls in träumerische Welten fliehen kann man, noch bis Freitag, beim Fantasy-Filmfest (im Cinema und Gabriel). Und auch bei der Lesung von Richard Lorenz könnte das gelingen (17.9., 20 Uhr, Glockenbachwerkstatt, anschließend Live-Premiere der Band Caroline Now). Dessen Roman „Amerika Plakate“ ist eine Hymne auf die Kraft der Phantasie.