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SZ-Kolumne: Vorschlag-Hammer (7)

25. April 2014

Bernhard Blöchl

Der Kulturteil der München- und Bayern-SZ ist renoviert worden. Mehr Service, mehr Magazin, mehr Mehr. Eine Kolumne gibt es auch, und ich bin einer der Autoren. Unter dem – nun ja – Schlagwort „Vorschlag-Hammer“ schreiben SZ-Journalisten auf, welche Kulturveranstaltungen sie empfehlen (und vor welchen sie warnen). Hier mein siebter Teil vom 24.4.2014:

VORSCHLAG-HAMMER
Heiter scheitern

Am Scheitern soll’s nicht scheitern. Wenn Sie wüssten, wie viele Waschbärvideos geklickt, Zimtschnecken verdrückt und Cappuccino-Becher ausgezuzelt wurden, ehe diese Zeilen so waren, wie sie jetzt sind – glauben Sie mir, das wollen Sie gar nicht wissen! Eines aber sollen Sie wissen: Autoren scheitern prinzipiell bei jedem Text, kehren um, nehmen Anlauf, stolpern abermals. Dennoch tun sie es immer wieder. Also das Schreiben. Dorothy Parker hat einmal daherphilosophiert: „I hate writing, i love having written.“ Eine smarte Zeile. Im Scheitern liegt immer auch etwas Trost. Und ganz viel Trotz. So kurbeln wir uns an, um das Bestmögliche aus der Buchstabensuppe herauszufischen.

Katrin Bauerfeind weiß das alles. Die Multimediafrau, die bei „Ehrensenf“ satirische Schärfe übte, hat ein neues Buch veröffentlicht: „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“ heißt es und bündelt „Geschichten vom schönen Scheitern“. Vergnüglich floppt sie beim „Gegen offene Türen rennen“, beim Sport und im Sexshop. Die Miniaturen kommen locker und salopp daher (Lesung am 28.4. um 20 Uhr im Volkstheater; Zusatztermin am 2.12. in der Freiheizhalle) – auch wenn ein Nörgler auf Amazon unkt, es handele sich um das „noch nicht mal pointiert geschriebene Genöle einer Nervensäge“. Die meisten Online-Rezensenten sind ohnehin wie DSDS: nicht jeder sollte dürfen.

Wie gut, dass sich Lydia Daher für seriöse Literaturkritiken entschieden hat. Die Augsburger Künstlerin hat 101 Collagen gebastelt, indem sie Zeitungsrezensionen ausgeschnitten und in einer Art Cut-up-Lyrik zu kleinen Kunstwerken zusammengeklebt hat. Verrisse auseinander-gerissen, wenn man so möchte. Das Büchlein heißt wie eine ihrer Arbeiten: „Und auch nun, gegenüber dem Ganzen – dies“. Bei der Lesung im Café Ruffini wird Daher auch ihre Band begrüßen, um gemeinsam Klang-Collagen zu präsentieren (28.4., 20 Uhr).

Vom Scheitern und von verpassten Chancen im Musikgeschäft handelt 20 Feet From Stardom , der heute im Kino anläuft. Der Oscar-prämierte Dokumentarfilm leuchtet das Leben von Begleitsängerinnen und -sängern aus, die sich viele Jahre lang im Schatten von Pop-Größen wie Sting oder Mick Jagger die Kehle aus dem Leib schmetterten.

Bereits seit ein paar Filmen – doch, man muss das so sagen – scheitert Johnny Depp, und auch sein jüngstes Großprojekt fiel beim US-Publikum durch: Transcendence heißt der Science-Fiction-Thriller, in dem der Geist eines Wissenschaftlers digitalisiert wird und zum kollektiven Bewusstsein aus Bits und Bytes heranwächst. Zum alles überragenden und alles vereinnahmenden Superhirn, das zum Scheitern nicht programmiert ist. Dementsprechend emotionslos ist der heute startende Film geraten, leider. Das Tröstliche daran: Auch Depp wird sich wieder aufrappeln und kraftvoll zurückkehren. Scheitern als Chance, wie gesagt.

Bildschirmfoto 2014-04-25 um 09.34.51

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