Mit der Ausgangsbeschränkung kam die Idee: Gedichte zur Verarbeitung der Coronakrise. Die Welt, wie sie war, bröselt dahin. Der globale Soft Reset bringt so unfassbar viel Neues. Schlimmes, Tragisches, Bizarres, Lustiges. Jeder Rausch an Input braucht einen Output. Einen Kanal, am liebsten einen künstlerischen. Ein Tagebuch in Versen? Poesie für den Seelenfrieden? Aufschreiben, was einen auffrisst? Quarantänenquatsch? Vielleicht von allem ein bisschen. Vor allem aber sind „Verse versus Virus“ ein Experiment. Eine Morgenroutine für den Schreibflow. Meine Annäherung an die Lyrik zur Stärkung meiner Prosa. Im Rhythmus der Verschmitztheit. Voilà, Woche acht.
Stubenhockers glänzender Thrill
(110520) Der erste Sonnenbrand brennt anders,
flirrende Trophäe, schöner Schmerz.
Des Stubenhockers blasses Sehnen
kulminiert im flächigen Rosé.
Der erste Sonnenbrand brennt stärker,
begehrte Beute, was juckt es dich?
Des Stubenhockers glänzender Thrill
geht unter die Haut, erinnert dich
an die Zeit, als Draußen war besonders,
Drinnen war der heiße Scheiß.
Himmelsblicke nur durch Scheiben,
Glashausbrände, kümmerlich.
Die Einsamkeit der Lippenstifte
(120520) Farblose Küsse schmecken banal,
Lippen sind in Quarantäne.
Luft und Liebe von Masken beraubt,
Blicke auch, es ist ein Jammer.
Tod von Rot, mattes Versteck.
Krise ohne Gloss.
Der irritierende Maskenflirt des späteren Liebespaares
(130520) Später wird er einmal sagen,
es war ihr Lächeln in den Augen,
das ihn direkt verzaubert hat.
Schmetterling per Wimpernschlag,
zwinkerndes Glück, kein Zurück.
Später wird sie ihm gestehen,
da war kein Lächeln ihrerseits,
das ihm als Flirtbeginn gedacht.
Lippenbläschen, Nase juckt,
maskierter Frust, keine Lust.
Später werden sie sich küssen,
ohne Schutz, ihr Lächeln zart,
hübsch und echt eindeutig.
Maximierung, Baby, blablablubb
(140520) Das Lächeln der Barista
ging ihm direkt ans Herz.
Mit ruhiger Hand und zuckersüß,
die Blicke taff wie Doppio.
Marija stand auf ihrem Schild,
Korkenzieherhaare, ach,
so schön war keine andere
im Minenfeld der Mienenlosen.
Berater sind sie allesamt,
auch er, tagein tagaus,
baut Arbeit ab, es hilft ja nix,
Maximierung, Baby, blablablubb.
Das Lächeln der Barista
fehlt ihm nun schon so lang.
Filterbrühe, Home-Office,
kein Herz in Sicht, schaumlos trist.
Marija steht auf seiner Liste,
Caféteria defizitär!
Er flucht nun laut, die Frau erschrickt,
zurück ihn schickt ins Büro.
Schlangenbeschwörer
(150520) Es ist so manches geil
am Virus dieser Tage.
Die Menschen lernen Schlange stehen,
für sie nun keine Frage:
Rempeln, Drängeln, Übersehen?
Vorbei, okay, zum Teil.
Corona ist Krieg
(160520) Stell dir vor,
es ist Corona,
und keiner
geht hin.
Kein Swing im Stream
(170520) Er liebt den Tanz mit fremden Frauen,
Herrenwahl, da fühlt er sich
wertvoll, stark, auch anerkannt,
ein Gigolo am Tangostrich.
Der Paso Doble sein Revier,
das Führen gibt ihm die Macht,
Körbe, die er sonst bekommt,
sind hier nicht angebracht.
Kontaktverbot, die Schule zu,
gelehrt wird nur im Netz,
virtueller Walzerschritt,
kein Swing im Stream und kein Let’s fetz!
Er hasst den Chat mit fremden Frauen,
Damenwahl für ihn ein Schreck,
den Platzhirsch fegen sie mit Verve
statt vom Parkett vom Bildschirm weg.
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