Seit ein paar Wochen kommt der Kulturteil der München- und Bayern-SZ ziemlich neu daher. Mehr Service, mehr Magazin, mehr Mehr. Eine Kolumne gibt es auch, und ich bin einer der Autoren. Unter dem – nun ja – Schlagwort „Vorschlag-Hammer“ schreiben SZ-Journalisten auf, welche Kulturveranstaltungen sie empfehlen (und vor welchen sie warnen). Hier mein erster Teil vom 27.1.2014:
VORSCHLAG-HAMMER
Keanu rief, Gerhard polterte
Gelegentlich fühlt man sich wie im falschen Film, da braucht man nicht erst Kinofuzzi zu werden. Auch wen es, warum auch immer, in ein Helene-Fischer-Konzert verschlägt (Stadtflucht frühzeitig einplanen für den 30. und 31. Oktober!), oder wer sich als Bayern-Fan in ein 60er-Stüberl verirrt, der zweifelt hinterher an der guten Welt. Dem Filmkritiker passiert das freilich oft. Also das mit dem falschen Film. Weil man ja alles sichten soll, vom Trash-Kunst-Experiment (Illusion, derzeit in den Museum-Lichtspielen) bis zum monströsen Fantasy-Spektakel (I, Frankenstein, läuft quasi überall). Da kann man regelmäßig sein blaues Wunder erleben.
Gerhard Polt hat auch einen neuen Film gemacht, und klar: Polt-Fanatiker werden sich bei Und Äktschn! auf jeden Fall wie im richtigen Film fühlen. Weil man bei Polt immer Polt bekommt, wenngleich man durchaus anmerken könnte, dass die Geschichte um den bayerischen Hobbyfilmer Hans A. Pospiech gegen Ende etwas ausfranst. Aber mei, eine Freude ist es allemal, dem Universalsatiriker nach zehn Jahren wieder auf der Leinwand beim Dahinphilosophieren zuzuschauen (startet am 6. Februar).
Oder aber beim Interview-Termin im Bayerischen Hof, denn das gehört ja auch zu den Aufgaben eines Kinofuzzis: der ganze Zirkus mit den Fotografen, den Kollegen und den mit Zeitplänen herumwedelnden Agenturdamen. Polt also, dieser stattliche Grauhaarbär von einem Mann, stapft aus der Interview-Suite, um im Gang seinem Regisseur Frederick Baker lautstark ein paar Worte zuzuwerfen. Das wiederum bringt eine Englisch sprechende PR-Lady dermaßen auf die Palme, dass sie ihn zur Ruhe ermahnt. Höchstwahrscheinlich hat sie keine Ahnung, wen sie vor sich hat, sie selbst ist ja für Keanu Reeves zuständig. Genau, den Hollywood-Star, der in „Matrix“ in Superzeitlupe zeigt, wo der Barthel den Most holt. Der beinahe 50-Jährige (Keanu, nicht Barthel) empfängt in den Räumen nebenan Journalisten aus aller Welt, um Werbung für seinen in den USA gefloppten Samurai-Film 47 Ronin zu machen (startet am Donnerstag). Gerhard Polt, Tür an Tür mit Keanu Reeves, das ist – mit Verlaub – wie Leberkäs’ Hawaii. Man hätte einem der Kameramänner sein Arbeitsgerät entreißen und sofort im Hotel eine Reality-Doku drehen sollen: „47 Äktschn-Ronin“.
Hammer-Vorschlag, was? Aber zurück zum Vorschlag-Hammer. Was für ein lausiger Kolumnist, wer hier keine Tipps gibt. Wie wäre es also damit: Um sich die Wartezeit bis zum Polt-Ereignis zu vertreiben, könnte man sich den Buddy-Movie Nicht mein Tag anschauen (was zum Lachen), das freizügige Liebesporträt Blau ist eine warme Farbe (was für Sinnesmenschen) oder den bildgewaltigen Abenteuerfilm Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (was für Tagträumer). Die sind wirklich gut. Oder man geht mal wieder ins Werkstattkino und sichtet Dutzende Filme in sieben Stunden: Bei der Zoom Short And Doc Film Night flimmern die Kurzfilme junger Kreativer aus Österreich, Norwegen und dem Balkan über die Leinwand (Montag, 27. Januar, 15 bis 22 Uhr, Eintritt frei). Auch hier gilt: Gelegentlich wird man sich wie im falschen Film fühlen. Garantiert.
Die Gisela Schneeberger ist eben ein sehr herzlicher Mensch, und da ich sie im Interview hatte und nicht den Meister selbst, konnte ich Polt persönlich keine Fragen stellen. Leider.