Hingehen, fernbleiben, Lieblingsfluchten. Unter dem – nun ja – Schlagwort „Vorschlag-Hammer“ schreiben SZ-Journalisten auf, welche Münchner Kulturveranstaltungen sie empfehlen (und vor welchen sie warnen). Hier mein 18. Teil vom 4.11.2014:
VORSCHLAG-HAMMER
Das Neue braucht Freunde
Lichtfahrer sind sichtbarer. Ein strahlender Satz. Wolf Haas hat ihn erfunden, als er noch Werbetexter war, sehr, sehr spät im vergangenen Jahrtausend. Beim Interview neulich in München erzählte mir das Wortgenie von dem Moment, in dem sein Leben einen Satz machte. Quasi. Mitte der Neunzigerjahre kündigte Haas seinen Job bei der Werbeagentur, um sich als freier Schriftsteller durchzubeißen. Um seinen Traum nicht nur zu träumen, wenn man so möchte. Das war, wohlgemerkt, in einer Phase, in der noch keineswegs klar war, dass sich seine Brenner-Krimis verkaufen würden wie Wiener Würstel. Wagnistat Hilfsausdruck.
Mit der tückischen Versuchung, alles auf eine Karte zu setzen, quälen sich viele junge Künstler herum. Kaum einer kann von seinem Schaffen leben, wenigen gelingt der Durchbruch, und doch schütten sie uns ihr Herz aus, als wären sie geboren, um zu schreiben, zu filmen, Musik zu machen. Die Guten zumindest. In dieser sowohl zermürbenden, als auch fiebrig schönen Phase befinden sich fast alle Bands und Elektronik-Acts, die beim „Sound Of Munich Now“-Festival auftreten. Das sind vorrangig junge Sänger, Rapper, Instrumentalisten, DJs und VJs, die in München und Umgebung herumexperimentieren und ihre Stadt mit einem modernen Klang überziehen. Mit Schwingungen, die suggerieren sollen: Alles ist möglich. In den Hallen des Feierwerks versammeln sich auf Einladung der SZ mehr als 40 Newcomer, Semi-Professionelle und Pop-Sternchen-Anwärter, um bei freiem Eintritt zu untermauern, warum sie hauptberuflich Musiker sein möchten (7.11., 22 Uhr, 8.11., 18 Uhr, meine Favoriten: Cosby, 50/50, Taiga Trece, Julian Heidenreich, Gabriel Miller Phillips, Luko, Elektrik Kezy Mezy).
Den Sternen bereits näher als andere sind auch die Schriftsteller, die sich und ihre Bücher beim Herbst-Mix präsentieren – schon deshalb, weil die Veranstaltung im dritten Stock des Literaturhauses stattfindet, von wo man einen sagenhaften Blick auf die beleuchtete Theatinerkirche nebst funkelndem Himmel hat. Freilich auch deshalb, weil die Debüts von Madeleine Prahs („Nachbarn“), Karen Köhler („Wir haben Raketen geangelt“) und Martin Lechner („Kleine Kassa“) stark genug sind, damit die Autoren den Glauben an ein Leben als Schriftsteller aufrecht erhalten (6.11., 20 Uhr).
Als Alexander Liegl jung war, gab es die beiden Newcomer-Reihen noch nicht. Aber Alter ist ja immer eine Frage der Perspektive, wie auch der Titel von Liegls erstem Roman eine Frage der Perspektive umkreist: „Oben ist auch nur unten, aber halt von oben“. Am 12. November, 19.30 Uhr, erklärt der Kabarettist und Autor im Vereinsheim, wie der Satz zu verstehen ist. Oder auch nicht.
Und im Kino kann man erfahren, wie man uralt und jugendlich frisch zugleich in Erscheinung treten kann: Die neuseeländische Fantasy-Satire „5 Zimmer, Küche, Sarg“ zeigt auf vergnügliche Weise, dass man sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen muss. Um den Vampirnachwuchs zumindest.