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SZ-Kolumne: Vorschlag-Hammer (4)

8. März 2014

Bernhard Blöchl

Seit ein paar Wochen kommt der Kulturteil der München- und Bayern-SZ ziemlich neu daher. Mehr Service, mehr Magazin, mehr Mehr. Eine Kolumne gibt es auch, und ich bin einer der Autoren. Unter dem – nun ja – Schlagwort „Vorschlag-Hammer“ schreiben SZ-Journalisten auf, welche Kulturveranstaltungen sie empfehlen (und vor welchen sie warnen). Hier mein vierter Teil vom 7.3.2014:

VORSCHLAG-HAMMER
Zur Sache, Sätzchen!

Neulich wurde eine Frau siebzig, die ich als mitteljung abgespeichert hatte. Zugegeben, das Spätwerk von Uschi Glas zog an mir ungesehen vorbei wie die Farce namens Fasching. An die früheren Projekte der Schauspielerin erinnere ich mich aber gerne. Für mich wird die Uschi immer die Elfi aus „Unsere schönsten Jahre“ bleiben, die Ilona aus „Polizeiinspektion 1“, unbedingt auch „die flotte Barbara“ aus „Zur Sache, Schätzchen!“ Sie wissen schon, der Schwabing-Film mit dieser wunderbaren Zeile: „Zur Sache, Schätzchen, mach keine Mätzchen, komm ins Bettchen, rauchen wir noch’n Zigarettchen.“ Das ist steile Lyrik, und immer wenn ich den Titel von 1968 lese (am Sonntag, 9. März, läuft der Film um 18 Uhr im Theater Heppel und Ettlich), entziffere ich „Zur Sache, Sätzchen!“ Was mich dann motiviert, schönen Sätzen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Leider viel zu oft gehen sie unter im großen Ganzen.

Zeilen wie „Oh mein Gott dieser Himmel, wie komm ich da bloß rein, oh mein Gott dieser Himmel, wo zur Hölle soll das sein?“ Dieser Satz stammt nicht von Uschi Glas. Er stammt von einem Fußballer. Glauben Sie nicht? Stimmt aber. Also zumindest ist das die halbe Wahrheit. Marten Laciny war Jugend-Kicker bei Hansa Rostock, ehe er seine wahre Berufung zum Beruf gemacht hat: Seit Jahrtausendbeginn spielt er nicht mehr mit Bällen, sondern mit Wörtern. Als Rapper namens Marteria beweist er Talent für kreative Formulierungen: So heißt ein Song seiner neuen Platte „Eintagsliebe“, ein anderer „Die Nacht ist mit mir“ (live zu hören am Sonntag, 9. März, um 19.30 Uhr in der Tonhalle). Und auch die Namen seiner bisherigen Alben ziehen Sprachschelmen die ohnehin höher gelegten Mundwinkel nach oben: „Halloziehnation“, „Base Ventura“, „Zu zweit allein“, „Zum Glück in die Zukunft“.

Auch der eine oder andere Autor beim Literatur-Festival Wortspiele lebt seinen Buchstabenspieltrieb exzessiv aus und meistert gleichzeitig kraftvolle Prosa (Tipp für Freitagabend: Alexander Schimmelbusch : „Die Murau Identität“, 20.50 Uhr, Ampere). Einen unwiderstehlichen Sog sollen auch die Texte entwickeln, die beim Krimifestival gelesen und inszeniert werden. Klangvolle Namen wie Hakan Nesser, Ingrid Noll und Simon Beckett schmücken die Agenda (8. bis 31. März). Dass Letzterer erste Sätze beherrscht, hat er in seinem Krimi „Die Chemie des Todes“ bewiesen: „Ein menschlicher Körper beginnt fünf Minuten nach dem Tod zu verwesen.“ Eine weitere verblüffende Zeile flog mir neulich zu: „Erwachsen ist, wenn man zuhause Pflanzen hat, die man gießt, obwohl man sie nicht rauchen kann.“ Der Satz stammt aus dem Doris-Dörrie-Film Alles inklusive , der gerade im Kino angelaufen ist. Eine melancholisch-irrwitzige Komödie zur facettenreichen Frage, wie selbstbestimmtes Leben aussehen könnte. Die Autorin und Regisseurin wird übrigens nächstes Jahr 60. Glaubt ihr auch keiner.

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